Spielzeugschweine…? (Bericht hinzugefügt am 27. November 2012)

access_time 06-12-2013

In der vorletzten Woche von Oktober rief uns eine sehr besorgte Frau an. Ihre Nachbarn hätten gerade geheiratet. Die frisch Vermählte hätte sich schon immer ein Schweinchen gewünscht und es nun als Hochzeitsgeschenk bekommen. Ein 2 Monate altes Ferkelchen, wohlgemerkt, dass schließlich als ausgewachsenes Schwein, 300kg auf die Waage bringen wird…
 
Auf dem Sofa wurde fein mit dem süßen Schweinchen geschmust. Aber irgendwann kam dann der Gedanke, dass ein Schwein doch wohl nicht so gut in ein Reihenhaus mit einem sehr kleinen Garten passt. Tagsüber wurde das kleine Mädchen im Schuppen in einen Laufstall gesperrt. Darin musste es schlafen, fressen, trinken und seine Notdurft verrichten. Letzteres führt natürlich auf so klitzekleinem Raum schnell zu einer ziemlich stinkenden Angelegenheit.
 
Es wurde entschieden, dass das ehemals so sehr herbeigesehnte Geschenk so einfach wie es gekommen war, wieder hinaus muss. Die besorgte Nachbarin hörte davon und suchte schnell nach einer neuen Bleibe. Sie telefonierte alles ab, von Schweine- Auffangstationen bis zu Streichelzoos und Behinderteneinrichtungen mit Landwirtschaft. Alles vergebens.Die Zeit drängte, denn die Hochzeitsreise stand bevor.  Das Paar hatte schon selbst eine neue Adresse für das Ferkelchen gefunden und einen Termin vereinbart. Beim örtlichen Bioschlachter! Dahin sollte es am Samstag gebracht werden, um noch eineinhalb Jahre gemästet zu werden.
 
Biologisch oder nicht, kein Schwein möchte sterben. Und man sollte nicht vergessen, dass das Schlachten eines Schweins von eineinhalb Jahren dem Töten eines Kindes entspricht, das zwischen 5 und 10 Jahre alt ist. In der Tat ist es für beide, abgesehen  davon dass es undenkbar ist, viel zu jung und noch vor der Blüte ihres Lebens…
 
Auch wir suchten nach einem guten Zuhause für das Ferkel , aber leider ist das (allein schon wegen des Platzbedarfs) wirklich etwas anderes als einen Platz für einen Hamster zu suchen, was übrigens auch nicht immer leicht ist. Aber leider blieb unsere Suche schließlich auch vergebens… Donnerstagabend sagten wir dann zu, dass das kleine Mädchen zu uns kommen darf. Leider war ´kommen´ auch nicht so einfach. Denn niemand war bereit, das Ferkel zu bringen und die besorgte Nachbarin konnte selbst nicht fahren. So startete Marc Freitagmorgen in Sögel und legte an diesem Tag rund 500 km zurück, um das Hochzeitsgeschenk aus seiner schmutzigen Box in dem Schuppen zu befreien.
 
 
Auf dem Weg nach Sögel schlief Klein- Charlotte, wie Marc sie unterwegs genannt hatte, voller Vertrauen in einen guten Verlauf, im dicken Stroh. Zog sich da ein Lächeln über ihr keckes Schnäuzchen? Es war gut, dass sie unterwegs nicht die vielen Tiertransporter mit Hunderten ihrer Artgenossen sehen konnte, die mit großer Angst in den Augen in LKWs mit Aufliegern übereinandergestapelt waren, und auf dem Weg zu einem ganz anderen Endziel waren, nämlich dem  Schlachthaus…
 
 
    
Charlotte kam hier am frühen Nachmittag an und lernte Jonas, das andere junge Schwein kennen. Im Vergleich zu Charlotte wirkte er plötzlich wie ein Riese, obwohl er im Gegensatz zu der ausgewachsenen Schweinefamilie hier auf dem Hof, noch ein Zwerg ist. Jonas hatte kein Interesse an Charlotte und so ließen sich die beiden erst einmal in Ruhe.Nach diesem Treffen auf neutralem Terrain gingen sie dann in ihren Quarantänestall und ließen sich gemeinsam ihr Futter schmecken. Als es Schlafenszeit war, fand Charlotte es spannend auszuprobieren, ob ihr neuer Freund ihr auch als Trampolin dienen konnte. Jonas bekam eine Ganzkörpermassage von den kleinen Klauen von Madame, mit denen sie über seinen Körper tanzte. Nach einer Stunde schlief das besondere Duo Seite an Seite im Stroh.
 
 
 
Es klappt enorm gut mit Charlotte. Sie ist an sich schon eine ganz Besondere. Hinzu kommt, dass sie ein braunes und ein blaues Auge hat! Und sie hat noch ihre Milchzähne und ihren kleinen Ringelschwanz! Normalerweise werden die spitzen Zähne bei Mastferkeln abgeknipst und der Schwanz wird einfach abgehackt.Charlotte ist eines der wenigen Schweine, die der Fleischindustrie ohne Verstümmelungen entwischt ist. Manchmal, wenn Charlotte sich sehr auf etwas konzentriert, vergisst sie ihren Schwanz und die „Locke“ fällt heraus und der Ringelschwanz hängt total schlapp an ihrem Allerwertesten.
 
Jeder der sie kennen lernt, ist begeistert über: die Offenheit, die Ehrlichkeit, die Schnelligkeit, die Neugier, die funkelnden Augen… Es ist eines der schönsten Dinge, die einem begegnen können, wenn man als Mensch privilegiert ist, so einem  Schwein(chen) zu begegnen. Könnten wir doch jedem einen Kontakt mit dem Geschenk Charlotte vermitteln… Man muss schon ziemlich kalt sein, wenn man dann das Schweinefleisch in Zukunft nicht stehen lässt.
 
Aber Charlotte war nicht das einzige Ferkel, das hier an dem bestimmten Wochenende in Oktober aus der akuten Not heraus Unterschlupf fand…
 
Am späten Freitagabend rief uns ein guter Bekannter an. Er wohnt in Amsterdam und er und seine Familie haben bezüglich Tierleid immer die Augen offen. Dieses Mal sah er drei Kinder , die mit einem Hängebauchschweinchen mitten in der dichtbesiedelten Stadt hausieren gingen… Die Kinder baten das Schweinchen jedem zum Kauf an. Eigentlich waren sie zu einem Spareribs- Restaurant geschickt worden, um das wehrlose Tier dort abzuliefern. Im richtigen Moment am richtigen Platz konnte unser Bekannter dies gerade noch verhindern. Zum großen Glück für das noch sehr junge Hängebauchschweinchen gaben sich die Kinder für das Geld, das er ihnen gab, sofort geschlagen.
 
Uns schlackerten die Ohren. Die zweite unglaubliche Geschichte in dieser Woche, in der es um ein Tier geht, mit dem umgegangen wurde wie mit einer Stoffpuppe! Was macht ein Schwein in den Händen von Kindern? Was macht ein Schwein mitten in einer Großstadt??
 
 
    
Weil unsere Bekannten mitten in der Stadt wohnen und so keine Möglichkeit haben, das Schwein bei sich selbst unterzubringen, kamen sie am Samstag zu Melief. Auf dem Hof folgte dann das erste Kennen lernen  mit Charlotte und Jonas. Nach dem ersten kurzen Kämpfchen mit Jonas, lief Klein- Hängebauchschwein schon bald zusammen mit den beiden Grunzgenossen los, um den Hof unsicher zu machen…
 
 
    
Das kleine Stadtferkel hat den Namen Stefan bekommen. Es wird in Zukunft wohl in der Rangordnung zwischen den dreien ganz unten stehen, weil es eben nicht größer als ein Hängebauchschwein wird. Das ist zwar kein erstrebenswerter Stand , aber im Moment sind sich die drei noch einig. Am Samstag genossen sie, alle Opfer von dem unverantwortlichen Umgang mit Tieren, die Tatsache, dass die Uhren um eine Stunde zurückgedreht worden waren. Müde von allem was sie mitgemacht hatten, aber zufrieden damit, dass sie ihrem Schicksal entkommen und jetzt hinter den Türen von Melief in Sicherheit sind.
 
 
Sie sind natürlich an jedem Samstag zwischen 14.00 und 16.00Uhr herzlich willkommen, um diese zwei VIAs ( Very Important Animals ) kennen zu lernen!

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502k 100k 3 month ago
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