Aufregende Zeiten… (Bericht vom 23. November 2012)

access_time 06-12-2013

Ein Tag nachdem Sunshine so plötzlich verstorben war, gingen wir ganz geknickt mit ein paar Hunden im Wald spazieren. Uns fiel auf, dass dort Hinterlassenschaften lagen, die man im Wald eigentlich nicht so schnell findet: Kuhfladen! Ein paar Meter weiter entfernt lagen immer mehr. Wir hatten nicht lange Zeit um zu überlegen, wo die denn wohl herkamen. Denn als wir uns umdrehten, standen wir Auge in Auge mit einem jungen Stier! Schnell trommelten wir Verstärkung herbei um zu versuchen, das Tier einzufangen oder es wenigstens auf unsere Weide zu treiben. Nach viel Rennerei und dem ständigen Austausch der jeweiligen Standorte und neuesten Infos per Handy (es lebe das mobile Telefon) wurde es dunkel und wir gaben (für diesen Tag!) den Kampf auf.
 
 
 
An den Tagen danach hielten wir weiter Ausschau nach dem Tier. Es schien sich immer noch in dem Waldstück hinter unserem Bauernhof aufzuhalten. Und doch lief der kleine Stier, obwohl er sehr ruhig war und nie in Panik geriet, nicht auf unsere Weide, deren Gatter so einladend weit offen stand… Lothar ließ sich nicht entmutigen und entwickelte einen Plan, den er am Mittwoch dann mit unserer Auszubildenden Jasmine in die Tat umsetzte… Das 4 Meter lange Gatter wurde sorgfältig so positioniert, dass es zur Falle wurde.  Stierkalb Survivor wurde an einem Pfahl im richtigen Abstand zum Gatter angebunden, um als „Köder“ zu dienen. Meter um Meter kreisten Jasmin und Lothar, immer per Handy in Kontakt bleibend, den Stier immer weiter ein, bis er endlich…… auf die Weide lief!
 
 

 
Mit Hilfe der Polizei fanden wir schließlich den Eigentümer. Er kam sofort und erzählte, dass der Stier schon seit 3 Wochen in einem Radius von 5 Kilometern in dem Wald herumgelaufen war. Das Tier, ein 7 Monate alter Limousin-Stier, den der Bauer aus dem benachbarten Dorf mästen wollte, war sofort nach seiner Ankunft aus Tschechien, als er enthornt und geimpft und sein Schwanz kupiert werden sollte, ausgebrochen. Der Bauer hatte schon 3 Wochen lang schlaflose Nächte gehabt und am Abend vor dem erfolgreichen Einfangen saß der Stier schon einmal entlang einer stark befahrenen Strasse zwischen ihm und der Polizei in der Klemme. Woraufhin der Bauer einen Jäger angerufen hatte, um ihn erschießen zu lassen. Zum Glück erschrak das Tier vor einem Auto und konnte entwischen…
 
 
 
Wir waren uns ganz sicher, dass der Stier auf unserer Weide bleiben musste. Der Bauer aber wollte das Tier zurück, oder die 1000,-€, die es ihn gekostet hatte, ausbezahlt haben. Aber ein Tier, das so viel Glück gehabt hat, schicken wir nicht noch 15 Monate in einen dunklen Stall, damit es letztendlich doch noch geschlachtet wird. Außerdem ist sein Leben mehr als 1000,-€ wert. Also sagten wir sofort, dass wir das Tier freikaufen würden. Unsere Argumente, dass der Stier dem Bauern keinen Cent eingebracht hätte, wenn er erschossen worden wäre, und dass er keinen Schaden angerichtet hätte und damit kein großer Versicherungsfall geworden ist, wurden als ungerechtfertigt vom Tisch gefegt. Und ein Preisnachlass, weil wir dem Bauern weitere Sorgen erspart hatten, saß auch nicht drin. Also bezahlten wir die 1000,-Euro.
 
 

Der neue Stier machte nun, genauso ruhig wie wir ihn an den Tagen davor erlebt hatten, aus nächster Nähe Bekanntschaft mit Survivor. Die beiden mochten sich auf Anhieb total gern. In der Nacht blieb der Neuankömmling noch auf der Weide, damit er sich langsam an die neue Umgebung und all die verschiedenen Tiere gewöhnen konnte. Am folgenden Tag führte Lothar ihn aber schon in den Teil des Stalles, zu dem die brutalen Ziegen keinen Zugang haben und in dem Sunshine und Survivor immer zusammen gefressen und geschlafen hatten. Mittlerweile frisst Limou, wie wir ihn nach reiflicher Überlegung genannt haben, dort mit großem Appetit sein Heu.

Aber an diesem Donnerstag sollte noch etwas passieren!
Die beiden Frauen, die dafür gesorgt hatten, dass Sunshine und Survivor nach Melief gekommen sind, waren sofort nach dem tragischen Tod von Sunshine auf die Suche nach einem neuen Kumpel für Survivor gegangen, der, so allein gelassen, herzzerreißend nach Sunshine gemuht hatte. Und sie hatten ein 6 Wochen altes Kuhkalb für Suvivor gefunden, das sie dann am Donnerstagabend zu uns gebracht haben. Was war das für ein kleines Springinsfeld! In allem genau das Gegenteil von Sunshine. Statt schwarz mit weiß ist sie weiß mit schwarz-grauen Flecken um die Augen. Außerdem hat sie viel mehr Energie und sprang sofort voller Lebensfreude durch ihre Box. Sie ließ sich nicht von der „Schnüffelbarriere“ zwischen ihrer Box und der der beiden Herren aufhalten und war, bevor wir uns versahen, schon drübergesprungen! So brauchen wir uns auf jeden Fall keine Sorgen darum zu machen, dass sich die junge Dame von der männlichen Übermacht unterbuttern lässt. Denn die kleine Diva, die inzwischen Isabella LaWinia heißt, lässt sich nichts vorschreiben!
 
 

 
Survivor neigt gelegentlich noch dazu, den beiden anderen klar machen zu wollen, dass wir doch schon seine Menschen waren, bevor sie überhaupt auf der Bildfläche erschienen sind. Er rempelt sie dann mal hier, mal dort, an oder verteilt leichte Kopfstöße. Aber eigentlich ist er überglücklich mit seinen beiden neuen Kameraden. Isabella ist sehr zahm, weil sie noch Kunstmilch bekommt, aber Limou kennt keine Berührungen. Wahrscheinlich ist er als Limousin-Rind auf der Weide geboren und durfte bei seiner Mutter trinken. Aber es ist Lothar inzwischen schon gelungen sein Vertrauen zu gewinnen und er kann ihm schon kurz ein Halsband umlegen, damit er sich daran gewöhnen kann. Tagsüber gehen die drei auf die Weide; und wie verschieden sie auch im Hinblick auf die Größe, die Rasse und den Charakter sein mögen, sie bleiben immer nah beieinander.
 
 

Wie einige Menschen schon bemerkt haben, scheint Limou durch ein ganz besonderes „Sternchen“, das erst kurz am Himmel steht, zum Gnadenhof Melief geleitet worden zu sein, damit Survivor nicht so allein bleibt. Und um noch eine Extraportion Energie in die Stallgemeinschaft zu bringen, ist dann noch die kleine Isabella gekommen! Wir hoffen, dass nach dieser Woche, in der Schock, Spannung, Freude, Trauer, Sterben und neues Leben so eng beieinander lagen und die wie eine Achterbahn an uns vorbeizog, jetzt ein paar ruhigere Wochen kommen.

An dieser Stelle danken wir den Menschen, die Sunshine und Survivor und jetzt auch Isabella gerettet haben, für das intensive Mitgefühl und dafür, dass sie uns die 1000,-€, die wir für den Freikauf von Limou brauchten, sofort bezahlt haben, weil alle so froh waren, dass Survivor einen neuen Freund bekommen hatte.

P.S.: Wie oben erwähnt war die Gruppe von 80 Limousin- Stieren, zu der Limou gehörte, gerade von Tschechien nach Deutschland gekommen, als Limou während des Enthornens, Entwurmens und Kupierens, entwischt ist. Das Kupieren des Schwanzes ist nach den Worten dieses Bauers nötig, weil die Tiere sich sonst ständig gegenseitig auf die Schwänze treten. Er hält sie nämlich in Gruppen zu neunt, wobei aber immer nur sechs im Stehen fressen können. Dabei entsteht jedes Mal eine Menge Unruhe und die Schwänze würden- nicht kupiert- nach und nach kaputtgetreten. Wir konnten bisher nicht genau sehen, welcher Eingriff bei Limou schon stattgefunden hatte. Aber am Montag kam das unwahrscheinlich ernüchternde Ergebnis: Ein Stück vom Schwanz fiel plötzlich ab!
 
 

Auf den Fotos sieht man deutlich, dass ein Abbinden des Schwanzes mit einem sehr festen Gummiband die Ursache hierfür war. (Mit aller Deutlichkeit: Dies ist in Deutschland gesetzlich verboten! Nach § 6 TierSchG ist es in Deutschland erlaubt, die Schwänze von unter drei Monate alten männlichen Kälbern zu kürzen, wenn belegt wird, dass dies zur Tiernutzung notwendig ist. Ein legitimer Grund ist das Verhindern von Kannibalismus in der Intensivhaltung von Rindern. Bei Vorliegen einer tierärztlichen Indikation, die den Eingriff gebietet, besteht im Einzelfall eine Ausnahme vom Amputationsverbot. Bron: Wikipedia) Es ist nicht auszuschließen, dass all diese schmerzhaften und nervenaufreibenden Prozeduren Limou dazu gebracht haben, schon bevor alles vorbei war die Gelegenheit zu nutzen und wegzulaufen… Wir überlegen noch, ob wir weitere rechtliche Schritte einleiten.

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